Gewissensfrage

Eigentlich wollte ich mich vornehm zurückhalten und beobachten. Bevor ich platze, muss das aber raus ;). Aufgrund der Länge des Textes habe ich ihn gebrochen, ich bitte meine Feedleser vielmals um Entschuldigung.
Momentan laufen Bestrebungen, eine europaweite „Gewerkschaft“ für Kraftfahrer zu Gründen. Nur für Leute, die „Arsch in der Hose“ haben, was immer man sich auch darunter vorstellen soll. Ziel ist es, sämtliche europäischen Kraftfahrer gleichzeitig zu einem Streik und Blockaden aufzurufen und dann Forderungen an die Politik zu stellen.
Sicher, mir war auch schon nach sowas. Ein Blick über die Grenzen zu den Kollegen in den umliegenden Ländern zeigt manchmal sehr gut, was mit solchen Maßnahmen erreicht werden kann. Trotzdem habe ich bei dieser Geschichte kein gutes Gefühl, juristisch gesehen. Das Problem ist, jeder ist für seine Handlungen verantwortlich und muss die Konsequenzen tragen.
Natürlich sehe ich die Probleme in unserem Beruf. Genauso, wie ich Probleme in anderen Berufen sehe. Andere Berufe haben allerdings meistens einen Tarifvertrag und dementsprechend eine Gewerkschaft, während wir eher Einzelkämpfer sind. Der Anteil an gewerkschaftlich organisierten Fahrern ist eher übersichtlich, um das mal vorsichtig zu formulieren.

Das könnte aber auch daran liegen, dass die Gewerkschaften für uns quasi gar nicht sichtbar sind. Verdi ist ein zahnloser Papiertiger, der ab und an mal mit Aktionen für die Paketdienstler auf sich aufmerksam macht und dann wie gewohnt in der Versenkung verschwindet. Die Kraftfahrer-Gewerkschaft ist für mich eine unbekannte Größe und fällt eher durch rüden Ton und schlechten Umgang miteinander auf, wenn ich mal etwas über sie zu lesen bekomme.
Nun haben sich also einige Fahrer in den Kopf gesetzt, einen deutschen Ableger der „Actie in Transport“ zu gründen und den Aufstand zu proben. Zusammen mit den anderen Ablegern in anderen Ländern.
Wir wissen alle, was los ist, wenn nur für 3 Tage kein Transport stattfindet. Die anfängliche Freude über die freien Straßen dürfte bald ziemlichem Ärger über Versorgungsengpässe weichen.
Hier sehe ich gleich schon das erste Problem. Es muss europaweit sichergestellt sein, dass Krankenhäuser, Altenpflege und soziale Dienste, Sicherheitskräfte und Feuerwehren nicht abgeschnitten werden. Wer soll das organisieren? Die meisten Fahrer, die sich gerade lautstark zu dem Thema äußern, können wahrscheinlich nichtmal den Inhalt ihrer Staufächer organisieren..
Dann der rechtliche Aspekt. Generalstreik ist in Deutschland zumindest gesetzlich verboten. Streiken kann auch nur, wer organisiert ist, ansonsten wäre es ein wilder Streik. Ebenfalls verboten.
Deutschland lahmzulegen und dann Forderungen zu stellen, ist in meinen Augen Erpressung. Ich denke mal, der eine oder andere Jurist wird das ähnlich sehen und die Initiatoren werden sich dann auch vor Gericht dafür verantworten müssen.
Sich dabei auf die gesetzlich zugesicherte Möglichkeit des zivilen Ungehorsams zu berufen, dürfte ziemlich in die Hose gehen. Der zivile Ungehorsam ist eine Möglichkeit, Zustände wie im 3. Reich und Diktaturen zu verhindern, oder sich gegen ungerechte Gesetzgebung zu wehren, wenn einem keine andere Wahl bleibt. Als Mittel zur Durchsetzung eigenen Profites, was hier ja letzendlich bezweckt wird, ist er gänzlich ungeeignet.
Wie schon gesagt, mir sind die Probleme durchaus bewusst, ich leide ja selbst darunter, sehe aber so eine Aktion in keinem Fall als Lösung oder auch nur Lösungsansatz an.
Die Idee, die Transportunternehmer mit ins Boot zu holen, ist nicht schlecht. Viele TU würden gerne mehr zahlen, aber der Markt gibt es nicht her. Letzendlich wird immer dort gespart, wo es möglich ist. Die Technik und natürlich die Löhne. Das treibt seltsame Blüten, wie man an Dinotrans sehr gut sehen kann. LKW mit baltischen Kennzeichen und Philippinos als Fahrer, die für 670 € zzgl. reduziertem Spesensatz europaweit arbeiten und dabei noch ein in ihren Augen gutes Geschäft machen. Der Markt wird auch das regeln, da bin ich mir sicher. Fragt nur mal ein paar alte Fahrer von Willi Betz, die nachts in Skandinavien aus dem Schlaf geklopft wurden und 5 Minuten Zeit bekamen, ihre Habe zusammenzukratzen, bevor der LKW in Brand gesetzt wurde.
Solange es die Möglichkeiten gibt, immer weniger zu bezahlen für immer mehr Leistungen, wird sich die Lage nicht ändern. Es hilft auch nicht, wenn sich die Kollegen aus Angst vor Arbeitslosigkeit immer weiter unter Preis verkaufen. Hier müssen die Unternehmer reagieren und Ladungen einfach nicht mehr annehmen, wenn der Preis nicht stimmt. Wenn Fahrer und Unternehmer an einem Strang ziehen, könnte es klappen, da etwas zu ändern. Aber nicht durch Erpressung. Das schadet nur unserem ohnehin schon schlechtem Image.
Es sind nicht alle Ideen der „Actie in Transport“ schlecht. Eine Regulierung wieder einzuführen, halte ich für eine gute Idee. Die Zugangsbedingungen zum Markt müssen deutlich angehoben werden, um die ganzen Sofaspediteure und Frachtenbörsen-Spekulanten wieder vom Markt zu bekommen. Momentan bereinigt sich der Markt überwiegend von angestammten Traditionsunternehmen, die ihren Mitarbeitern gute Arbeitsbedingungen boten und an den Kosten für diese dann kaputt gingen, das kann es nicht sein..
Früher konnte jeder, der einen LKW-Führerschein gemacht hat, auf den Bock steigen und fand ein Auskommen. Heute sind die Zugangshürden höher gelegt, es ist ein Ausbildungsberuf geworden, die Kenntnisse, die man sich dafür aneignen muss, sind dementsprechend reichhaltig. Ein qualifizierter Fahrer ist ein guter Fahrer gewesen, ein Fahrer mit langer Praxis nicht schlechter. Der EU-Berufskraftfahrer, der sich an manchen Ecken im Schnelldurchlauf in 6 Wochen erreichen lässt, inkl. Führerschein wohlbemerkt, ist einfach nur eine Farce und aus der Not der Sklaventreiber geboren, die keine billigen Arbeitskräfte mehr fanden. Das muss aufhören.
Diese ganze Arbeit-muss-sich-wieder-lohnen-Phrasendrescherei geht mir zwar auf den Sack, aber ich stimme in dem Punkt zu, dass qualifizierte Arbeit zu den Bedingungen, wie sie unser Beruf mit sich bringt, schon so bezahlt werden müsste, dass man als Alleinverdiener seine Familie damit ernähren könnte. Kaum ein Beruf bringt soviel unbezahlte Mehrarbeit, so ein unruhiges, ungesundes Leben und so einen Verzicht auf die Annehmlichkeiten des häuslichen Lebens mit sich, wie unserer. Das sollte sich definitiv auch finanziell niederschagen.
Sorry, dass das ein so langer Text wurde, aber das musste einfach mal raus.

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