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Eines vorab: Dieser Blogeintrag stellt ausdrücklich keine Rechtsberatung dar, sondern soll nur Ansätze liefern, eine rechtliche Situation zu beurteilen.. Ein Jeder möge bitte sein eigenes Hirn benutzen oder im konkreten Fall den Anwalt seines geringsten Misstrauens hinzuziehen.
Von vielen Kollegen bis heute unbemerkt ist am 01.09.2010 ein interessantes Urteil zu den in vielen Arbeitsverträgen pauschal abgegoltenen Überstunden gefällt worden.
Das Urteil im Volltext gibt es hier. Der konkrete Fall mag nun auf den ersten Blick nichts mit uns Berufskraftfahrern zu tun haben, im Grunde hat er es aber doch.

So ist beispielsweise die Formulierung „durch die zu zahlende Bruttovergütung ist eine etwaig notwendig werdende Über- oder Mehrarbeit abgegolten“ unwirksam (LAG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2010, 73659). Auch die Formulierung „erforderliche Mehrarbeiten in der Vergütung enthalten“ ist unwirksam. Nach einer Entscheidung des BAG vom 01.09.2010 (BAG, ArbR-Aktuell 2010, Seite 603) ist eine Pauschalierungsklausel auch dann unwirksam, wenn trotz ausdrücklicher Bestimmung im Arbeitsvertrag in welcher Höhe Mehrarbeitsstunden zu leisten sind, mit „der vorstehenden Vergütung erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten“ sind.

So, oder so ähnlich, sind viele Standardarbeitsverträge formuliert. Um das nun in Zahlen auszudrücken, muss ich etwas weiter ausholen..
Defintion „Arbeitszeit“
ist die Zeitspanne zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende ohne Ruhepausen und Ruhezeiten. Der Fahrer befindet sich am Arbeitsplatz und übt seine Tätigkeit aus oder er befindet sich am Arbeitsplatz und muss sich bereithalten, wobei die Tätigkeitsaufnahme nicht im Voraus bekannt ist.
Zur Arbeitszeit zählen:

  • Fahren
  • Be- und Entladen
  • Reinigung und Wartung des Fahrzeuges
  • Erledigung von gesetzlichen oder behördlichen Formalitäten
  • Überwachung des Be- und Entladens
  • Warten auf das Be- und Entladen, wenn Wartezeit nicht bekannt ist
Maximale Arbeitszeit

Einfahrerbesetzung
24 Std. 13 Std. Arbeitsschicht (Arbeitszeit, Bereitschaftszeit, Lenkzeitunterbrechung/Pausen
11 Std. Ruhezeit

Umfang der Arbeitszeit
Nach § 21a Arbeitszeitgesetz darf die wöchentliche Arbeitszeit des Fahrpersonals innerhalb von vier Monaten durchschnittlich 48 Wochenstunden nicht überschreiten. Das ergibt eine maximale Monatsarbeitszeit von 208 Stunden.
  • monatlich: max.208 Std.
  • wöchentlich: max. 48 Std.
  • werktäglich: max. 10 Std.

Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern werden zusammengerechnet!

Ausnahmsweise verlängerbar
  • bis zu 60 Std./Woche, wenn innerhalb von 4 Monaten oder 16 Wochen im Durchschnitt 48 Std./Woche (über Tarifvertrag Ausgleich auf 6 Monate verlängerbar)
  • über 10 Std. täglich nur über Tarifvertrag unter bestimmten Voraussetzungen verlängerbar

Die Arbeitszeit beginnt mit dem Verlassen der Wohnung und endet mit dem Betreten dieser.
Ausgleich für Krankheits- oder Urlaubstage
Der Arbeitgeber muss Krankheitstage für den Ausgleich berücksichtigen, die mit 9,6 Std./Tag anzusetzen sind. Der gesetzliche Urlaubsanspruch (24 Werktage) ist ebenfalls für den Ausgleich zu berücksichtigen.
Weitere Urlaubstage oder Freistellungen sind bzgl. der Arbeitszeit nicht mit zu bewerten.
Dokumentationspflicht
Das Unternehmen muss die wöchentlich geleistete Arbeitszeit dokumentieren (Delegation an Fahrer zulässig). Die Dokumentation muss in „geeigneter Weise“ erfolgen (z.B. Schaublätter i.V.m. gesonderten Stundenzetteln oder digitale Fahrdaten i.V.m. manueller Eingabe über sonstige Tätigkeiten).
Die Nachweise sind mindestens 2 Jahre aufzubewahren.
Wer also seinen Tacho richtig bedient, hat am Monatsende eine hübsche Übersicht über seine Arbeitszeiten und kann die entstandenen Überstunden einfordern. Zu beachten ist jedoch, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet sein müssen. Eine Anordnung kann auch darin liegen, wenn ein bestimmter Arbeitsauftrag innerhalb eines bestimmten Zeitraums ohne Rücksicht auf die üblichen Dienstzeiten durchgeführt werden muss oder der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer geleistete zusätzliche Arbeit kennt und mit ihr einverstanden ist oder ihre Erbringung duldet.
Ganz wichtig dabei ist, dass der Nachweis vom Arbeitnehmer zu führen ist, man sollte also seine Überstunden nicht zu lange auflaufen lassen. Der Anspruch auf Überstundenvergütung verjährt nach drei Jahren, § 195 BGB.
Die Überstundenvergütung wird im Verhältnis zum Arbeitsentgelt berechnet: Wird das Arbeitsentgelt in Form eines Stundenlohns gezahlt, entspricht die Überstundenvergütung der Höhe nach dem vereinbarten Lohn für eine Arbeitsstunde. Wird das Arbeitsentgelt in Form eines Monatsentgelts geleistet, bedarf es einer Umrechnung des Monatsentgelts. Hierbei wird die regelmäßige Arbeitszeit zugrunde gelegt.
Urteile:

Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2008, Az.: 9 Sa 1958/07

 
3. Der Arbeitgeber duldet Überstunden, wenn er Arbeitsleistungen, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, entgegennimmt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Erbringung von Überstunden über mehrere Wochen erfolgt und der Arbeitgeber keinerlei ernst gemeinte organisatorischen Vorkehrungen trifft, um eine freiwillige Ableistung von Überstunden zu unterbinden.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.06.2010, Az. 15 Sa 166/10
 

Der vereinbarte Ausschluss der Vergütung von Überstunden unterliegt der Kontrolle nach den §§ 305 ff BGB, weil es sich dabei nicht um die Überprüfung von Hauptleistungspflichten handelt. Die Kontrollfähigkeit ergibt sich aus dem Charakter der Vereinbarung als Nebenabrede, weil Befugnisse zur Anordnung von Überstunden mit der Pauschalabgeltung durch die vereinbarte Vergütung verbunden wird (ErfK-Preis, 9. Aufl., §§ 305 bis 310 BGB Rdnr. 91).

LAG Hamm, 18.03.2009 – 2 Sa 1108/08