Alphasocken

Sie wissen nicht, was eine Alphasocke ist?
Täglich verschwinden weltweit Tausende von Socken während des Waschgangs. Doch jetzt muß keine X-Akte mehr angelegt werden. In einem breit angelegten Feldversuch konnte ich einem der letzten Geheimnisse der Naturwissenschaften auf die Spur kommen:
Ursache des Verschwindens von Socken in Waschmaschine ist eine quasi-genetische Besonderheit, die ich zunächst „ALPHA – Phänomen“ nenne.
Objekte der Studie sind 187 Sockenpaare jeder Materialzusammensetzung, Dicke, Farbe und Schuhgröße. Im Test befanden sich Socken unterschied-licher Fabrikate in den Preislagen „Sommerschlußverkauf“ bis 19,80 Euro. Testpersonen waren Menschen aller Konfessionen bzw. konfessionslos zwischen fünf Monaten und 72 Jahren, männlich oder weiblich, mit verschiedenem Schulabschluß, Beruf, Geburts- und Wohnort, Selbstwäscher und „Waschenlasser“. Geographisch wurden Testgebiete im Rheinland, in Thüringen, in Franken und in Großbritannien gewählt. Nahezu allen Befragten war das Problem der verschwundenen zweiten Socke geläufig. Keiner hatte sich aber intensiver mit dieser Fragestellung befaßt. Vielfach wurden Unterdrückungsmechanismen wie das erneute Kaufen von Socken oder das Abwälzen der Schuld auf andere Familienmitglieder oder Waschmaschinen-Mitnutzer festgestellt. Untersucht wurde, wie sich Socken vor, während und nach dem Waschvorgang verhalten. Im Ergebnis sind weder Träger noch Wäscher von Socken ursächlich für deren Verschwinden. Vielmehr gibt es in jedem Sockenpaar je eine Alpha- und Betasocke. Bereits beim Einkauf ist die Alphasocke leicht zu erkennen. Sie ist bestrebt, die Betasocke vollständig zu umschließen und somit zu beherrschen: Beim mit Pappe und Garn zusammengehaltenen unbenutzten Sockenpaar, das gewöhnlich einmal gefaltet ist, liegt die Alphasocke stets außen. Beim Tragen macht sich die Zugehörigkeit zu einem Sockentypus nach meinen Ermittlungen nicht bemerkbar.
Das „ALPHA-Phänomen“ läßt sich folgendermaßen beschreiben: Steckt man die Alphasocke gemeinsam mit der Betasocke in eine handelsübliche Waschmaschine, wird mit dem Einsetzen der ersten Walkbewegungen ein latentes „Quasi-Gen“ aktiv, welches das Verhaltensmuster der sonst harmlosen Tennissocke ebenso gravierend verändert wie z.B. des Babysöckchens. Die nicht mehr selbstbestimmte Alphasocke wird dazu getrieben, die Betasocke samt Masche und Naht zu absorbieren. Dies geschieht gewöhnlich spurenlos; in Einzelfällen konnte eine erhöhte Fusselkonzentration im Flusensieb oder – ausschließlich bei Falke-Walkie-Wandersocken – einige Fusseln im inneren Zehen-Ballen-Bereich der Alphasocke beobachtet werden. Die mir zur Verfügung stehenden technischen Hilfsmittel ließen jedoch eine sichere Identifizierung der verschwundenen Betasocke anhand der dürftigen Indizien nicht zu.
Genau sechs Voraussetzungen führen zum „ALPHA-Phänomen“. Fehlt auch nur einer der ermittelten Faktoren, bleibt es in 100 % aller Vergleichsfälle aus. Das wahre Wesen der Alphasocke kommt dabei allein beim gleichzeitigen Zusammentreffen folgender Rahmenbedingungen ans Licht:
1. Vorhandensein der zeitgleich hergestellten Betasocke
Beweis: Ist die Betasocke erst einmal verschlungen, erlischt das Interesse von Alphasocken an anderen Socken. Kauft man mehrere Paare einer Sockenart, reduziert sich der Bestand nie unter 50 % der ursprünglich vorhandenen Socken, damit also auf genau eine Socke je Paar. Selbst bei vielfachem Waschen wird eine Alphasocke auch bei strickgleichen Exemplaren niemals eine Socke eines anderen Paares absorbieren.
2. Dunkelheit
Beweis: Alle Bemühungen, mit lichtstarken Taschenlampen in die Wasch-trommel zu leuchten und den Vorgang zu beobachten, führten stets zum vollständigen Erscheinen des Paares nach dem Waschgang.
3. größere Nässe
Beweis: Trocken oder leicht feucht in eine Wäscheschleuder gegebene Alphasocken ignorieren den zeitgleich anwesenden Betasocken. Ferner können Socken – insbesondere von Schwiegermüttern geschenkte – jahrzehntelang nebeneinander, aufeinander oder gar ineinander gerollt im Wäscheschrank liegen, ohne daß ein einziger Fall des „ALPHA-Phänomens“ aufgetreten wäre.
4. mindestens 30 °C Umgebungstemperatur
Beweis: Das „ALPHA-Phänomen“ läßt sich bei der Wahl des Kaltwaschganges nicht beobachten.
5. absolut gleichmäßige Walk- und Schleuderbewegungen
Beweis: Alle Versuche, das Waschprogramm einer Waschmaschine manuell nachzuvollziehen scheiterten an der Unvollkommenheit meiner Testpersonen bei der Ausführung der Bewegung von Wäschetrommeln.
6. Metallberührung
Beweis: Vergleichstests in Salatschleudern, Waschschüsseln und -becken aus Kunststoff oder Email bringen auch bei Raumverdunklung und größtem Planschen stets eine unversehrte Betasocke hervor.
Selbstgestrickte Schurwollsocken und halterlose Damen-Feinstrümpfe sind nach meinem Testergebnis vom „ALPHA-Phänomen“ nicht betroffen. Hierzu bedarf es einer Anschlußuntersuchung. Doch zunächst werde ich erforschen, warum sich unbeobachtete Holzkleiderbügel im Kleiderschrank unweigerlich in metallene Reinigungskleiderbügel verwandeln.

Ein Kommentar

  1. Gedankenspruenge » Blog Archive » Sockenabo sagt am 21. Dezember 2006 um 12:48

    […] Langsam wird es kälter, im Hintergrund dudelt bei mir “Rock Christmas” und man merkt – Weihnachten ist nicht mehr weit. Und mit Weihnachten kommt, wie in jedem Jahr, wieder die Frage auf, was man verschenken kann. Etwas zu spät gelesen habe ich vom Sockenabo, ein gutes Geschenk für den Mann (denn für meinen Vater will mir wirklich NIE etwas einfallen). Zwischen 22 und 39€ bekommt der beschenkte 3-5 mal 5 Paar schwarze Socken, die immer zueinander passen. Wenn die Waschmaschine dann mal wieder einige Einzelsocken gefressen hat (oder das Alpha-Phänomen auftritt), kommt der Nachschub gerade rechtzeitig. […]

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