Aktion gegen Gewalt an Frauen

Eine sehr lobens- und vor allem erwähnenswerte Aktion wurde im Kreis Segeberg durch die Bäckerinnung ins Leben gerufen:

Bäcker-Innung startet Kampagne gegen Gewalt an Frauen
Kreis Segeberg – Was haben Bäcker mit Gewalt an Frauen zu tun ? Nicht mehr oder weniger als andere Berufsgruppen. Zum Internationalen Tag „Nein zu Gewalt an Frauen“ am heutigen Freitag aber schloss sich die Bäckerinnung Holstein mit Gleichstellungsbeauftragten der Kreise Segeberg, Stormarn, Pinneberg und Herzogtum Lauenburg zu einer Aktion zusammen. In 32 Betrieben gehen Brötchentüten über den Ladentisch mit der Aufschrift: „Schau hin ! Gewalt kommt nicht in die Tüte“.
Zuvor hatten schon zahlreiche Firmen, Privatpersonen und Parteien Geld gespendet. Mehr als 9 000 Euro kamen zusammen. 1 165 Euro waren es im Kreis Segeberg, die an die drei Frauenberatungsstellen im Kreis verteilt wurden. Im Bad Segeberger Park-Café Villwock übergaben gestern die Bäcker gemeinsam mit der Schirmherrin, der Frauenministerin Ute Erdsiek-Rave, die gebackenen „Schecks“.
Auf den 50 000 bedruckten Tüten stehen die Notrufnummern und Adressen der Beratungsstellen. „So bekommt das oft versteckte Problem Gewalt an Frauen mehr Öffentlichkeit“, begründete Torsten Gräper, warum auch sein Betrieb zu den acht im Kreis Segeberg zählt, die sich dieser Aktion anschlossen.
„Raus aus der dunklen Ecke muss das Thema“, sagte Elsbeth Hoeck. Der Leiterin des Bad Segeberger Frauenzimmers stimmten Andrea Hempel vom Frauentreffpunkt in Kaltenkirchen und Sabine Kofahl von der Norderstedter Frauenberatungsstelle zu. Zu einer Beratungsstelle müsse die Frau sich trauen, in eine Bäckerei gehe jede.
Das Problem ist der Mantel des Schweigens, der über Gewalt im häuslichen Bereich gebreitet ist, meinten die Expertinnen. Mehr als 45 000 Frauen suchen bundesweit Beratungsstellen auf, etwa 1 500 pro Stelle, berichtete Ministerin Ute Erdsiek-Rave. „Die Dunkelziffer aber ist sehr hoch.“ Fachleute gehen davon aus, das jede vierte Frau in Deutschland betroffen ist.
Viele Frauen würden sich nicht trauen, über ihre Not zu sprechen, bestätigte Katja Rathje-Hoffmann (Nahe), Koordinatorin der Aktion im Kreis Segeberg.
Manche der engagierten Bäcker haben das im eigenen Betrieb erfahren. „Bis vor zwei Jahren wusste ich nicht viel darüber“, erzählte Holger Rathjen, Landesinnungsmeister aus Norderstedt. Dann aber bekam er eine Auszubildende, die unter ihrem gewalttätigen Vater litt. Trotz aller Versuche, dem Mädchen zu helfen, gab sie schließlich ihre Lehre auf und verschwand.
Auch Bäcker Ulrich Villwock stand schon mal einem solchen Problem hilflos gegenüber. „Es ist schwer, an die Betroffene heranzukommen, ihr Vertrauen zu gewinnen.“
Beate Mönkendieck, Gleichstellungsbeauftragte in Bad Segeberg, erinnerte an ihren jüngsten Besuch in der Kreisberufsschule. Mehrere Mädchen aus drei Klassen berichteten danach vertraulich über eigene Gewalterfahrungen. „Die Jungs glauben oft nicht, dass es so etwas wirklich gibt“, erzählte Frau Mönkendieck. Manche aber waren eher irritiert, vor allem solche, die aus Gesellschaften stammen, in denen Gewalt zu den gängigen Züchtigungen „ungehorsamer“ Frauen zählt.
Seit 2002 stellt das Gewaltschutzgesetz häusliche Gewalt unter Strafe. Der schlagende Ehemann hat das Haus zu verlassen, nach dem Grundsatz „Wer schlägt, der geht“. Mindestens 14 Tage lang muss er sich von seiner Frau fernhalten. Über die Rechte, die eine misshandelte Frau hat, und über Lösungswege klären die Beratungsstellen auf. Deren Adressen werden mit der Brötchentüte verteilt.
Dass so eine Tüte wirkt, war 2004 im Kreis Pinneberg bei einer ähnlichen Aktion festzustellen. Ein Nachbar schob einer bedrängten Frau eine Tüte unter der Tür zu – und brachte sie damit tatsächlich dazu, zur Beratungsstelle zu gehen.
Sylvia Träbing-Butzmann

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