Archiv vom 'Juni 16th, 2012'

Verantwortlichkeiten

In letzter Zeit werden die Touren Minutengenau durchgeplant an uns weitergegeben. Klar, dass Theorie und Praxis voneinander abweichen und das meistens reichlich. Unwägbarkeiten bei den Be- und Entladestellen, das aktuelle Verkehrsgeschehen und solche Dinge sind nun einmal dynamisch und müssen in der aktuellen Tourenplanung berücksichtigt werden. Die Lenk- und Ruhezeiten sind ja in der VO/EWG 3821/85 und der Fahrpersonalverordnung zusammengefasst, über „Kann“-Optionen in diesem Zusammenhang habe ich in einem älteren Artikel bereits referiert.
In diesem Artikel möchte ich die Verantwortlichkeiten ein wenig näher beleuchten. Die Touren werden in unserem Fall vom Auftraggeber herausgegeben. Mitgeteilt werden sie von der Dispo in unserem Betrieb. Ausgeführt vom Fahrer. Der Fahrer meldet Vorkommnisse an die Dispo im Betrieb, diese gibt sie an den Auftraggeber weiter.
Die Fahrpersonalverordnung sagt in § 20a aus:

(1) Die Verkehrsunternehmen sind verpflichtet, ihren Betrieb nach Maßgabe von Artikel 10 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zu organisieren. Dies gilt auch für Fahrten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder eines Drittstaates.
(2) Neben den Verkehrsunternehmen sind auch die mit diesen in geschäftlicher Verbindung stehenden Verlader, Spediteure, Reiseveranstalter, Hauptauftragnehmer, Unterauftragnehmer und Fahrervermittlungsagenturen für die Einhaltung der Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 und der vorliegenden Verordnung verantwortlich.
(3) Die Verkehrsunternehmen, Verlader, Spediteure, Reiseveranstalter, Hauptauftragnehmer, Unterauftragnehmer und Fahrervermittlungsagenturen stellen sicher, dass die vertraglich vereinbarten Beförderungszeitpläne nicht gegen die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verstoßen.

Die Dispo ist verpflichtet, jeden Auftrag vor der Weitergabe an den Fahrer auf seine Durchführbarkeit im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben zu überprüfen. Erst wenn die Durchführbarkeit gewährleistet ist, darf der Auftrag angenommen und der Fahrer angewiesen werden, diesen auszuführen, wobei in dem Fall Arbeitsschutz vor wirtschaftliche Interessen gestellt ist.
Gesetzt den Fall, dass nun die Tour nicht schaffbar ist, ist der Disponent in der Verantwortung. Verzögert sich die Ausführung durch Verkehrsereignisse, Wartezeiten, etc., hat er auf die vom Fahrer übermittelte Information zu reagieren und die Tour entsprechend umzuplanen, bzw., diese Information an den Auftraggeber weiterzugeben. Je nach Art des Vertrages zwischen Auftraggeber und Unternehmen muss eine Anpassung der Tourenplanung durch den Auftraggeber oder den ausführenden Unternehmer erfolgen.
Die Verantwortung für Überschreitungen liegt nicht alleine beim Fahrer, wie so gerne von den Unternehmen dargestellt wird. Auch eine angebotene Übernahme des eventuellen Bußgeldes ist keine Option, im Gegenteil, dieses ist ebenfalls strafbar. Sollte der Unternehmer jetzt seinen Fahrer mit Jobverlust oder anderen wirtschaftlichen Nachteilen bedrohen, kann der Fahrer dies bei der zuständigen Behörde für Arbeitsschutz zur Anzeige bringen und sollte eventuell über eine Anzeige wegen Nötigung nachdenken, je nachdem, wie sehr er an dem Job hängt ;).. Auf der sicheren Seite ist man allerdings nur, wenn man sich gar nicht darauf einlässt.
Unternehmen, die ständig unter Ausreizung der gesetzlichen Vorschriften bis ans Limit arbeiten, werden früher oder später Probleme bekommen, die Touren termingerecht durchzuführen und in den meisten Fällen die Fahrer unter Druck setzen. Wer sich das gefallen lässt, hat ein Problem. Heutzutage versuchen sich Unternehmen abzusichern, indem sie im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung den Fahrer dafür unterschreiben lassen, dass er sich an die Sozialvorschriften hält. Wird eine Überschreitung durch die Dispo angeordnet, lehnt man diese ab. Eine schriftliche Weisung mit Firmenbriefkopf, Stempel und Unterschrift per Fax anzufordern ist das gute Recht eines Fahrers und wird im Regelfall durch den Betrieb abgelehnt, da er damit ja zugeben würde, die Überschreitung angewiesen zu haben.
Ganz interessant ist in diesem Zusammenhang das Arbeitspapier „Haftung von Verkehrsunternehmen“ der EU. Als Fahrer sollte man sich das Dokument herunterladen und sich dementsprechend verhalten und natürlich auch das Unternehmen darauf hinweisen.

Kleiner Ausflug in das Arbeitsrecht Teil 2

Mit der letzten Gehaltsabrechnung kam ein Schreiben der Firma, dass Nachtzuschläge künftig nicht mehr gezahlt werden und die Wochenendzuschläge nur noch nach den gesetzlichen Regelungen.
Da es bei uns Arbeitsverträge mit pauschaler Abgeltung der Mehrarbeit gibt, in denen keine Zuschläge gezahlt werden, diese Klausel aber durch eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers ungültig ist und das Arbeitszeitgesetz Nachtzuschläge vorschreibt, kann man diese natürlich beim Arbeitgeber geltend machen. Nachtarbeitszeit ist zwischen 23.00 und 6.00.
Auszug Arbeitszeitgesetz § 6 Nacht- und Schichtarbeit:

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

Wenn die Hauptarbeitszeit in die Nacht fällt, wie es bei uns ja der Regelfall ist, so ist ein Zuschlag von 25% angemessen.
Für Wochenendarbeit sind keine Zuschläge fällig, diese Zeit wird durch einen Freizeitausgleich gutgeschrieben. Da Samstag ein Werktag ist und Sonntags eh nur von 22.00 – 24.00 gearbeitet werden kann, sowie durch den Ausgleich der Wochenendruhezeit nach VO/EWG ist das also hinfällig.
Wer schlau ist, führt Buch über seine Arbeitszeiten und macht die entgangenen Zuschläge rückwirkend geltend. Auch hier gilt eine Verjährungsfrist von 3 Jahren.
Die Berechnung ist dabei relativ einfach. Auf den Bruttostundenlohn kommt man, indem man sein Bruttogehalt durch die Regelarbeitszeit teilt. Die Regelarbeitszeit beträgt in unserem Falle 48 Wochenstunden, da wir eine 6-Tage-Woche haben. Abweichungen von dieser Regelarbeitszeit wird es mit Sicherheit geben, das sind anrechenbare Überstunden, die man sich auch gleich notieren sollte.
Ganz wichtig: Der Nachweis über diese Arbeitszeiten muss vom Fahrer erbracht werden! Wer seine Fahrerkarte nicht selber ausliest oder Buch führt, sollte sich etwas einfallen lassen, bevor er Forderungen stellt. Der Arbeitgeber ist übrigens verpflichtet, die Fahrerkarten-Daten auf Verlangen auszuhändigen.
Und wenn Ihr schon dabei seid, die Monatsarbeitszeiten zusammen zu rechnen, schaut doch gleich nach, ob die Tagesarbeitszeit den Schnitt von 8h innerhalb von 6 Monaten nicht überschritten hat, denn dann kann sie nicht auf 10h verlängert werden. (ArbZG § 3 Arbeitszeit der Arbeitnehmer)
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein sagt dazu:

Auch auf diese Berufsgruppe ist § 3 ArbZG in vollem Umfang anwendbar (Zmarzlik/Anzinger, § 3 ArbZG Rn. 60). Die nach Art. 189 Satz 2 EGV allgemein gültige und in jedem Mitgliedstaat unmittelbar Anwendung findende Verordnung des Rates der EG vom 20.12.1985 Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. EG Nr. L 370/1; ber. ABl. EG Nr. L 206/36) und das an diese Verordnung angeglichene, den die EU-Grenzen überschreitenden Verkehr betreffende europäische Übereinkommen über die Arbeitszeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals AETR (zitiert bei Schliemann/Förster/Meyer, ArbZG Rn. 282) beschränken sich auf die Regelung der Lenkzeiten, der Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten.
[…]
Die in Art. 6 der EG-Verordnung Nr. 3820/85 festgelegten Lenkzeiten setzen die in § 3 ArbZG gesetzten Arbeitszeitgrenzen für Berufskraftfahrer nicht außer Kraft. Zwar erlaubt Art. 6 der EG-Verordnung Nr. 3820/85 eine Tageslenkzeit von 9 Stunden und zweimal in der Woche sogar eine Tageslenkzeit von 10 Stunden, wohingegen § 3 Satz 1 ArbZG festlegt, dass die werktägliche Arbeitszeit grundsätzlich 8 Stunden nicht übersteigen darf. Dieser Unterschied führt aber deshalb nicht zu einer Außerkraftsetzung des § 3 ArbZG in der Frage der Arbeitszeitgrenzen, weil einerseits die werktägliche Arbeitszeit auch nach § 3 Satz 2 ArbZG auf bis zu 10 Stunden erhöht werden kann, wenn bezogen auf den sechsmonatigen Ausgleichszeitraum eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten wird und andererseits aufgrund der in Art. 6 Abs. 2 getroffenen Regelung, dass die Gesamtlenkzeit innerhalb eines Zeitraumes von zwei aufeinander folgenden Wochen 90 Stunden nicht überschreiten darf, klar ist, dass bezogen auf den sechsmonatigen Ausgleichszeitraum des § 3 Satz 2 ArbZG eine durchschnittliche Wochenlenkzeit von 45 Stunden nicht überschritten werden darf. Das Gemeinschaftsrecht eröffnet dem Arbeitgeber des Verkehrsgewerbes danach keine Erweiterung der nach § 3 ArbZG zulässigen Arbeitszeitgrenzen. Will der Arbeitgeber die nach dem Gemeinschaftsrecht zulässigen Lenkzeiten voll ausschöpfen und verbleibt daneben vorbehaltlich der Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 1 ArbZG kein dem Arbeitszeitgesetz Rechnung tragendes Zeitkapital mehr für die im Zusammenhang mit den Transportaufgaben stehenden Arbeitstätigkeiten, die nicht in dem Lenken des Fahrzeugs bestehen (z.B. Be- und Entladen, Wartungs- und Kontrolltätigkeiten, sowie sonstige mit dem jeweiligen Transport verbundene Nebentätigkeiten), dann muss mit der Erledigung dieser Arbeiten ein anderer Arbeitnehmer betraut werden.

Es zählen also auch die Be- und Entladezeiten, Wartung und Fahrzeugpflege, etc. mit zur täglichen Arbeitszeit, die richtige Bedienung des Digitaltachos kann sich hier auszahlen.
In der letzten Gehaltsabrechnung taucht weder das draußen verbrachte Wochenende noch die Feiertage mit Zuschlägen auf, von daher wird es auch von meiner Seite keine Wochenenden mehr draußen geben. Wenn man am Wochenende nicht am Wohnort ist, stehen einem zumindest die Spesen zu, auch diese sind in der Abrechnung nicht enthalten.