Archiv vom 'Oktober 4th, 2008'

Gute Zeiten, schlechte Zeiten..

Ist vielleicht nicht für alle interessant, aber hilft doch bei Verständnisfragen dem einen oder anderen Berufskraftfahrer..
Momentan liege ich ein wenig mit meinem Arbeitgeber im Clinch, wir werden uns über Zeiten nicht einig.
Mein Chef meint, Bereitschaftszeit gehört nicht zur Arbeitszeit, sondern wäre eine Pause.
Das Arbeitszeitgesetz sagt in §21a:

§ 21a ArbZG Beschäftigung im Straßentransport
(1) Für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei
Straßenverkehrstätigkeiten im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom
20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im
Straßenverkehr (ABl. EG Nr. L 370 S. 1, 1986 Nr. L 206 S. 36) oder des Europäischen
Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten
Fahrpersonals (AETR) vom 1. Juli 1970 (BGBl. II 1974 S. 1473) in ihren jeweiligen
Fassungen gelten die Vorschriften dieses Gesetzes, soweit nicht die folgenden Absätze
abweichende Regelungen enthalten. Die Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr.
3820/85 und des AETR bleiben unberührt.
(2) Eine Woche im Sinne dieser Vorschriften ist der Zeitraum von Montag 0 Uhr bis
Sonntag 24 Uhr.
(3) Abweichend von § 2 Abs. 1 ist keine Arbeitszeit:
1. die Zeit, während derer sich ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz
bereithalten muss, um seine Tätigkeit aufzunehmen,
2. die Zeit, während derer sich ein Arbeitnehmer bereithalten muss, um
seine Tätigkeit auf Anweisung aufnehmen zu können, ohne sich an seinem
Arbeitsplatz aufhalten zu müssen;

3. für Arbeitnehmer, die sich beim Fahren abwechseln, die während der
Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit.

Soweit hat mein Chef das dann wohl auch nur gelesen, denn:

Für die Zeiten nach Satz 1 Nr. 1 und 2 gilt dies nur, wenn der Zeitraum und dessen
voraussichtliche Dauer im Voraus, spätestens unmittelbar vor Beginn des betreffenden
Zeitraums bekannt ist. Die in Satz 1 genannten Zeiten sind keine Ruhezeiten. Die in
Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Zeiten sind keine Ruhepausen.

Dazu mal folgende Begründung vom Bundesarbeitsgericht:

Arbeitsbereitschaft und Ruhepausen eines Kraftfahrers
1. Eine Ruhepause liegt nur vor, wenn spätestens zu Beginn der Arbeitsunterbrechung auch deren Dauer feststeht.
2. Be- und Entladezeiten, während derer der Kraftfahrer sein Fahrzeug und das Betriebsgelände zwar verlassen darf, einem Arbeitsaufruf aber umgehend nachzukommen hat, sind keine Ruhepausen. Vergütungsrechtlich sind diese Zeiten Arbeitsbereitschaft i. S. v. § 2 Bundesmanteltarifvertrag für den Güter- und Möbelfernverkehr.
BAG, Urteil vom 29. 10. 2002 – 1 AZR 603/ 01 (Lexetius.com/2002,3227 [2003/5/54])
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Ruhepausen im Sinne des Arbeitszeitrechts Unterbrechungen der Arbeitszeit von bestimmter Dauer, die der Erholung dienen (BAG 28. September 1972 – 5 AZR 198/ 72 – AP AZO § 12 Nr. 9 = EzA AZO § 12 Nr. 1). Es muß sich um im voraus festliegende Unterbrechungen der Arbeitszeit handeln, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat. Er muß frei darüber entscheiden können, wo und wie er diese Zeit verbringen will. Entscheidendes Merkmal der Ruhepause ist, daß der Arbeitnehmer von jeder Arbeitsverpflichtung und auch von jeder Verpflichtung, sich zur Arbeit bereitzuhalten, freigestellt ist (BAG 23. September 1992 – 4 AZR 562/ 91 – AP AZO Kr § 3 Nr. 6 = EzA AZO § 12 Nr. 6; 27. Februar 1992 – 6 AZR 478/ 90 – AP AZ Kr § 3 Nr. 5 = EzA AZO § 12 Nr. 5; 5. Mai 1988 – 6 AZR 658/ 85 – BAGE 58, 243). Das Schrifttum ist dieser Begriffsbestimmung weitgehend gefolgt (vgl. Zmarzlik/ Anzinger ArbZG § 4 Rn. 3; Schliemann ArbZG Stand 1. Juni 2002 § 4 Rn. 6; Schliemann/ Meyer Arbeitszeitrecht 2. Aufl. Rn. 290; Neumann/ Biebl ArbZG 13. Aufl. § 4 Rn. 2; Buschmann/ Ulber ArbZG 3. Aufl. § 4 Rn. 1; Dobberahn Das neue Arbeitszeitrecht in der Praxis 2. Aufl. Rn. 50; mit gewissen Modifikationen auch Tietje Grundfragen des Arbeitszeitrechts Diss. 2001 S 117; Baeck/ Deutsch ArbZG § 4 Rn. 8, 9). Zum Begriff der Pause gehört, daß die Dauer der Arbeitsunterbrechung im voraus festliegt. Zu welchem Zeitpunkt sie feststehen muß, ob spätestens zu Beginn der täglichen Arbeitszeit oder erst bei Beginn der jeweiligen Pause, ist umstritten (vgl. Schliemann aaO § 4 Rn. 19 mwN).
Unverzichtbar ist, daß jedenfalls bei ihrem Beginn auch die Dauer der Pause bekannt sein muß. Eine Arbeitsunterbrechung, bei deren Beginn der Arbeitnehmer nicht weiß, wie lange sie dauern wird, ist keine Pause. Der Arbeitnehmer muß sich dann durchgehend zur Arbeit bereithalten.

Die Hervorhebungen sind von mir. Bei Hornbach stehen und auf eine Tafel zu starren, auf der LKW-Nummern und Tore angezeigt werden, ist also keine Pause.
Die Be-/Entladung zu überwachen, Ladungssicherung, Fahrzeugpflege, etc. sind keine Pause.
In diesen Zeiten hat der Tacho auf „andere Arbeiten“ zu stehen und diese sind auch voll in die Tagesarbeitszeit mit einzurechnen.
Mein Arbeitsvertrag sagt aus, daß ich eine reguläre Wochenarbeitszeit von 60:00 abzuleisten habe. Eine weitere Klausel sagt, daß „firmenübliche“ Überstunden unentgeltlich abzuleisten sind.
Im Gegensatz dazu sagt das Arbeitszeitgesetz:

(4) Die Arbeitszeit darf 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu
60 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von vier Kalendermonaten oder 16 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich nicht überschritten werden.

(6) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder
Dienstvereinbarung kann zugelassen werden,
1. nähere Einzelheiten zu den in Absatz 3 Satz 1 Nr. 1, 2 und Satz 2 genannten Voraussetzungen zu regeln,
2. abweichend von Absatz 4 sowie den §§ 3 und 6 Abs. 2 die Arbeitszeit festzulegen, wenn objektive, technische oder arbeitszeitorganisatorische Gründe vorliegen. Dabei darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten nicht überschreiten.

Auch hierzu gibt es einige einschlägige Urteile.

Die in Art. 6 der EG-Verordnung Nr. 3820/85 festgelegten Lenkzeiten setzen die in § 3 ArbZG gesetzten Arbeitszeitgrenzen für Berufskraftfahrer nicht außer Kraft. Zwar erlaubt Art. 6 der EG-Verordnung Nr. 3820/85 eine Tageslenkzeit von 9 Stunden und zweimal in der Woche sogar eine Tageslenkzeit von 10 Stunden, wohingegen § 3 Satz 1 ArbZG festlegt, daß die werktägliche Arbeitszeit grundsätzlich 8 Stunden nicht übersteigen darf. Dieser Unterschied führt aber deshalb nicht zu einer Außerkraftsetzung des § 3 ArbZG in der Frage der Arbeitszeitgrenzen, weil einerseits die werktägliche Arbeitszeit auch nach § 3 Satz 2 ArbZG auf bis zu 10 Stunden erhöht werden kann, wenn bezogen auf den sechsmonatigen Ausgleichszeitraum eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten wird und andererseits aufgrund der in Art. 6 Abs. 2 getroffenen Regelung, daß die Gesamtlenkzeit innerhalb eines Zeitraumes von zwei aufeinanderfolgenden Wochen 90 Stunden nicht überschreiten darf, klar ist, daß bezogen auf den sechsmonatigen Ausgleichszeitraum des § 3 Satz 2 ArbZG eine durchschnittliche Wochenlenkzeit von 45 Stunden nicht überschritten werden darf. Das Gemeinschaftsrecht eröffnet dem Arbeitgeber des Verkehrsgewerbes danach keine Erweiterung der nach § 3 ArbZG zulässigen Arbeitszeitgrenzen. Will der Arbeitgeber die nach dem Gemeinschaftsrecht zulässigen Lenkzeiten voll ausschöpfen und verbleibt daneben vorbehaltlich der Ausnahmevorschrift des § 14 Abs. 1 ArbZG kein dem Arbeitszeitgesetz Rechnung tragendes Zeitkapital mehr für die im Zusammenhang mit den Transportaufgaben stehenden Arbeitstätigkeiten, die nicht in dem Lenken des Fahrzeugs bestehen (z.B. Be- und Entladen, Wartungs- und Kontrolltätigkeiten, sowie sonstige mit dem jeweiligen Transport verbundene Nebentätigkeiten), dann muß mit der Erledigung dieser Arbeiten ein anderer Arbeitnehmer betraut werden. Da der streitgegenständliche Arbeitsvertrag mit der dort in § 3 getroffenen Bestimmung diesen zwingenden gesetzlichen Grundsätzen zuwiderläuft und darauf ausgerichtet ist, eine permanente Beschäftigung mit 50 Arbeitsstunden und bei Bedarf auch mehr zu legitimieren, ist er nach §§ 134, 139 BGB in seinem die Festlegung der Arbeitszeit bestimmenden Teil nichtig.

heisst es in einem Urteil des Landesarbeitsgerichtes Thüringen.
Das Gericht legt sich dabei auf eine zu leistende wöchentliche Arbeitszeit von 48:00 fest. Der Text ist besonders in Bezug auf die Wirksamkeit der Abgeltung weiterer Arbeitszeit mit einem pauschalen Gehalt sehr interessant.
Nun mal ein konkretes Beispiel.
Woche vom 1.9.08 bis zum 6.9.08 ergibt sich eine Wochenarbeitszeit von 60:05.
Woche vom 8.9.08 bis zum 13.9.08 ergibt sich eine Wochenarbeitszeit von 54:35.
Woche vom 16.9.08 bis zum 20.9.08 ergibt sich eine Wochenarbeitszeit von 43:40.
Woche vom 23.9.08 bis zum 27.9.08 ergibt sich eine Wochenarbeitszeit von 66:15.
Das macht eine Gesamtarbeitszeit von 224:25.
Wenn man dem Gericht folgen will, habe ich also nur 192:00 monatliche Arbeitszeit zu leisten. Davon sind dann 180:00 Lenkzeit bei voller Ausschöpfung und dazu kommen dann 12:00 Be-/Entladen, Bereitschaft..
Die verbleibenden 32:25 Stunden sind folglich Überstunden und gesondert zu vergüten oder auszugleichen.
Genauso unterschiedlich sind unsere Meinungen zu den Wochenenden. Die VERORDNUNG (EG) Nr. 561/2006 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES sagt eindeutig aus:

h) „wöchentliche Ruhezeit“ den wöchentlichen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann und der eine „regelmäßige wöchentliche Ruhezeit“ und eine „reduzierte wöchentliche Ruhezeit“ umfasst;

  • „regelmäßige wöchentliche Ruhezeit“ eine Ruhepause von mindestens 45 Stunden;
  • „reduzierte wöchentliche Ruhezeit“ eine Ruhepause von weniger als 45 Stunden, die vorbehaltlich der Bedingungen des Artikels 8 Absatz 6 auf eine Mindestzeit von 24 aufeinander folgenden Stunden reduziert werden kann;
  • Artikel 8, Abs.6:

    (6) In zwei jeweils aufeinander folgenden Wochen hat der Fahrer mindestens folgende Ruhezeiten einzuhalten:

  • zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten oder
  • eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit und eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 Stunden. Dabei wird jedoch die Reduzierung durch eine gleichwertige Ruhepause ausgeglichen, die ohne Unterbrechung vor dem Ende der dritten Woche nach der betreffenden Woche genommen werden muss.
  • Eine wöchentliche Ruhezeit beginnt spätestens am Ende von sechs 24-Stunden-Zeiträumen nach dem Ende der vorangegangenen wöchentlichen Ruhezeit.

    Meine Wochenendruhezeiten sahen so aus im September:
    39:05
    56:40
    30:10
    26:45
    D.h., die fehlenden Stunden vom ersten Wochenende habe ich mit dem zweiten nachgeholt. Fehlen also noch 14:50 vom dritten und 18:15 vom letzten Wochenende. Durch eine super Disposition, die mich letzten Donnerstag um 21.00 zum Laden verplant hat, habe ich am Freitag, dem Tag der deutschen Einheit, einen Ausgleich von 11:00 gehabt. Fehlen also immer noch 22:05. Zzgl. der mir zustehenden 45:00 macht das also ein Wochenende von gesamt 67:05.
    Angekommen bin ich zuhause um 1:30 gestern, ich muss also erst am Montag um 20:35 wieder los..
    Nur, erklär das mal dem Disponenten..*soifz*