Betrug ist eine Bagatelle..
Ein immer wiederkehrendes Thema des Verbraucherschutzes sind sogenannte „Ping-Anrufe„. Dabei handelt es sich um eine skrupellose Bereicherungsmethode zwielichtiger „Mehrwertanbieter“, um ohne Gegenleistung in möglichst kurzer Zeit bei möglichst vielen Opfern zwar nur einen Bagatellschaden zu erzeugen, trotzdem aber angesichts der riesigen Zahlen von Betroffenen einen erheblichen Profit einzufahren.
Solche „Ping-Anrufe“ funktionieren dergestalt, dass der Mehrwertanbieter reihenweise ganze Nummernblöcke mit automatischen Anwählmaschinen durchtelefoniert, dabei wird die Anwählmaschine so eingestellt, dass nach dem ersten Klingelton sofort „aufgelegt“ wird.
Weil nun eine gewisse Zahl von Opfern denkt, hier einen Anruf verpasst zu haben, erfolgt dann häufig ein Rückruf auf die im Display angezeigte 0137-Nummer. Nur um dann festzustellen, dass man „gelinkt“ wurde und soeben einen wenn auch kleinen Beitrag zur Mehrung fremden Einkommens geleistet hat.
Insgesamt ist überhaupt hierzulande eine Zunahme solcher „kreativer“ Geschäftsmethoden zu verzeichnen. So muss der Normalverbraucher nicht nur im Internet, sondern schon dann, wenn er nur den Telefonhörer abhebt, stets auf der Hut sein und mit unseriösen Machenschaften aller Couleur rechnen, um nicht buchstäblich jeden Tag das Fell über die Ohren gezogen zu bekommen. Schon lange erweckt dieses Verhalten „innovativer Jungunternehmer“ beim Normalverbraucher erheblichen Unmut. Dieser muss einfach zunehmend den Eindruck bekommen, er sei lediglich noch Zielobjekt, um zu seinen Lasten zur fremden Bereicherung zu dienen.
Es ist die Aufgabe der Justiz, die Bevölkerung so weit irgend möglich vor solchen „Geschäftsmodellen“ zu schützen.
Bisher war auch die Justiz eigentlich der Ansicht, dass 0137-Ping-Anrufe einen Betrug darstellen.
So hat das LG Hildesheim in der Urteilsbegründung zu einem Prozess wegen eines 0190-Ping-Betrugs folgendes ausgeführt (v. 10.02.2004, 26 KLs 16 Js 26785/02):
Mit einer solchen auf den Zufluss von Telefongebühren aus den eingerichteten Service-Nummern gerichteten Zielvorstellung programmierte der Angeklagte F die Software der Audiotex-Plattform dahingehend, dass sie auf der Grundlage einer zuvor eingerichteten Datei mit den Daten von 838.880 deutschen Mobilfunkteilnehmern für jede der beiden 0190er-Servicenummem in Einzelläufen jeweils Teilnehmer anwählte. Das Programm wurde so eingestellt, dass die Verbindung sofort nach vollständiger Anwahl der Rufnummer unterbrochen wurde, so dass die Teilnehmer keine Chance hatten, den automatisierten Anruf anzunehmen.
Beabsichtigte Folge war, dass im Display der Mobiltelefone der Angerufenen ein entgangener Anruf durch die jeweils von der Audiotex-Plattform gerade verwendete 0190er-Servicenummer angezeigt wurde.
Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil auf Revision der Staatsanwaltschaft mit Beschluß vom 23.09.2004 bezüglich eines Angeklagten wegen dessen Strafaussetzung zur Bewährung zur Neuentscheidung an das Landgericht Hannover zurückverwiesen. Grundsätzliche Zweifel an der Strafbarkeit der dem Verfahren zugrundeliegenden Lockanrufe hatte der BGH ebenfalls nicht geäußert.
Das LG Hildesheim hat sich auch mit dem Argument auseinander gesetzt, der Rückrufer habe bei entsprechender Sorgfalt erkennen können, dass es sich um eine teure Mehrwertnummer handelt.
Man argumentierte: „Das Recht schützt auch die Unaufmerksamen“ und schloss einen Einfluß dieser Tatsache auf die Tatbestandbestimmung aus.
Dabei ist zu bedenken, dass es sich im Hildesheimer Fall um eine 0190-Nummer handelte und das Risiko eines Anrufs auf diesen Nummern noch eher als „allgemein bekannt“ gelten konnte, als dies bezüglich des Mißbrauchspotenzials der 0137-Gassen der Fall ist. Dieses Potenzial ist anscheinend nicht einmal dem Gesetzgeber bekannt, wie die Parlamentsdebatten um das TKG leider nur zu eindrücklich zeigen.
In jedem Fall ging die plumpe Schutzbehauptung, die letztlich in der Platitüde hätte enden müssen, das Opfer sei „selbst schuld“, vor dem LG Hildesheim so nicht durch. Es wurde hier mit Recht ein Betrug zu Grunde gelegt und der Täter auch dementsprechend verurteilt.
Schon 2004 war ebenfalls die Staatsanwaltschaft in Augsburg der Meinung, dass 0137-Pinganrufe Betrug darstellen:
0137-Betrug: Kripo ermittelt Tatverdächtige – teltarif.de News
Im Kontrast zu dieser bisherigen Rechtsauffassung steht nun die Verfahrenseinstellung zu aktuellen 0137-Ping-Betrugsfällen, verübt im Raum Hannover, in einem sehr merkwürdigen Licht. Auch auf Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle hin sah man keinen Anlass, in dieser Sache weiter tätig werden zu müssen.
Unter dem Aktenzeichen GStA Celle, 2 Zs 1607/09 wies die GStA die Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens StA Hannover NZS 5322 Js 44041/09 wegen Betruges (Pingbetrug durch 0137-Lockanrufe) zurück.
Herr Oberstaatsanwalt Brandt erklärt dazu in seinem Ablehnungsbescheid, es sei „nicht Aufgabe des Strafrechts, vor einer groben Sorgfaltspflichtverletzung zu schützen (OLG Celle, 1 Ws 279/06)“.
Weiter äußert er:
Ich teile die Auffassung der Staatsanwaltschaft, das alleine das einmalige Anrufen unter Hinterlegung einer Rufnummer keine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB ist.
Es ist nicht erkennbar, worin nach Ansicht des Oberstaatsanwaltes der Zweck des einmaligen Klingelns besteht, zumal, wenn man bedenkt, dass bei einem Mobilfunktelefon und bei entsprechend ausgestatteten Telefonen dieses Klingeln die Anzeige „Anruf in Abwesenheit“ auslöst.
Auch wird auf die Motivation eines Tatverdächtgen nicht eingegangen, welcher Tausende von Personen anruft – im (exklusiven!) Wissen darum, dass jeder Rückruf ihm Geld einbringt.
Kurzum: es ist vollkommen lebensfremd, hier eine andere Interpretation gelten zu lassen, als pure rechtswidrige Bereicherungsabsicht an fremdem Vermögen.
Das konträre Urteil aus Hildesheim ist dem Oberstaatsanwalt bekannt, er wurde ausführlich auf dieses Urteil hingewiesen. Auf diese bisher geltende Rechtsprechung ist er jedoch nicht näher eingegangen. Ignoriert wurde auch die Ansicht des BGH, der an der grundlegenden Strafbarkeit des Ping-Betrugs keinerlei Zweifel geäußert hat.
Auch die Aussage des Oberstaatsanwaltes, wonach die Mehrwertnummern heutzutage allgemein bekannt seien und daher der Anrufer nicht täusche, wenn er eine solche Nummer angebe, ist in der Sache umstritten – und sie ist vor allem nicht relevant, da diese Mehrwertnummer ja gar nicht die Nummer ist, unter der der Anrufer erreicht werden kann. Das allein stellt schon eine Täuschungshandlung dar (Entstellen der wahren Tatsache, dass ein Rückruf mit dem Ziel, den Anrufer zu erreichen, gar nicht möglich ist).
Am gestrigen Freitag erschien hierzu ein Eintrag bei der Augsburger Allgemeinen:
( Von der Arroganz einer Staatsanwaltschaft – Augsburger Allgemeine Community )
Die Einstellung des Verfahrens mit der Begründung, es läge kein Betrug vor, war ein fatales Signal. Es wäre dann eigentlich zu erwarten, dass auch andere Ermittlungsverfahren von der Einstellung bedroht sind, insbesondere die bundesweit nach Hannover abgegebenen verschiedenen Verfahren wegen des gleichen Sachverhalts (z.B. Js 47423/08 in Hannover als übergeordnetes Verfahren zu Staatsanwaltschaft Frankfurt, 3470 Js 240497/09) und insbesondere auch das im selben Gerichtsbezirk laufende Ermittlungsverfahren der StA Osnabrück (NZS 140 Js 4466/07). Spätestens jetzt besteht an einer Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft auch ein öffentliches Interesse (siehe exemplarisch die Meldung bei Heise.de: (http://www.heise.de/newsticker/Razzi…/meldung/85469 ).
Die selbstverordnete Untätigkeit durch Einstellung des Verfahrens ist ein Schlag ins Gesicht der Zigtausenden Betroffenen – allein die hohen Opferzahlen zeigen doch, dass der Herr Oberstaatsanwalt hier die Lebenswirklichkeiten völlig verkennt.
Als Verbraucher muß man sich fragen, ob inzwischen der banden- und gewerbsmäßige Betrug im Bereich der Telekommunikation zur gewohnheitsrechtlich legitimierten Bagatelle mutiert ist. Wie kann es in Deutschland völlig ohne Konsequenzen bleiben, wenn man auf solche Weise Geld verdient?